02. – 04.10.2008, Bochum
Institut für Medienwissenschaft
Aus dem Call for Papers:
Dass die Medien an der Produktion und der Strukturierung von Wissen entscheidend beteiligt sind, wird an so unterschiedlichen Phänomenen wie Wikipedia, Ratgebersendungen des Fernsehens, pädagogischen Filmen und medizinischen High-Tech-Untersuchungen gleichermaßen deutlich. Zudem hat die jüngere Forschung gezeigt, wie sehr historische Wissensformen – naturwissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie populäres Sich-Auskennen – an spezifische Medien sowie allgemeiner an Phänomene von Medialität gebunden sind. Die Filmgeschichtsschreibung entdeckt die spezifische Pragmatik und Ästhetik von Instruktionsfilmen, die Cultural Studies rekonstruieren die Produktion von Fanwissen im Internet, die Medienarchäologie verweist auf die Relevanz von Karteikästen und Notizbüchern, die Wissenschaftsforschung fokussiert die Medialität von Schaubildern und medizinischer Bildgebung. Diesseits der pauschalen Diagnose einer Wissensgesellschaft lassen sich vielfältige Beispiele für solche Kopplungen von Medien und Wissen benennen.
Für die Medienwissenschaft ergeben sich aus diesen Einsichten eine Reihe von produktiven Anregungen, Provokationen und Fragestellungen, die mit der Frage »Was wissen Medien?« einen gemeinsamen Fluchtpunkt erhalten. Die Frage soll dabei gängige Unterscheidungen unterlaufen: Information und Unterhaltung, high and low, Naturwissenschaften und Fankulturen, komplexe Mediensysteme und einzelne Apparate implizieren und produzieren gleichermaßen Wissensformen, die auf ihre je spezifische mediale Fundierung zu untersuchen sind. Dabei lässt sich dem »Wissen der Medien« auf der Ebene inhaltlicher und semantischer Strukturen ebenso nachgehen wie auf der Ebene dispositiver oder kommunikativer Ordnungen. Worin also die medialen Aspekte bestehen, die entscheidend an der Wissensproduktion mitwirken, wäre für die jeweiligen Gegenstände und in den einzelnen Analysen je spezifisch zu bestimmen.
Während die Medienwissenschaft aufgefordert ist, Wissen über die Medien zu produzieren und zu vermitteln, hat sie sich damit auseinanderzusetzen, dass die Medien – wie weit oder eng man den Begriff fassen mag – selbst Instanzen des Wissens sind. Wissen gibt es nicht ohne materielle Speicherung und Zirkulation, ohne Darstellungsformen und Kommunikationsstrukturen. Dabei wird in ganz unterschiedlichen Kontexten zunehmend deutlich, wie sehr Wissen weniger in Köpfen als in medialen Konstellationen seine Struktur und seine Relevanz erhält: die Produktion, die Systematik und der Abruf von Wissen wird medienhistorisch immer wieder einschneidend modifiziert. Wissenschaft und damit notwendigerweise auch Medienwissenschaft sind selbst gleichermaßen Resultate und produktive Teilelemente einer komplexen Konstellation, in der technische Geräte, imaginäre Settings, unberechenbar handelnde User etc. als Aktanten auftreten können. Schließlich gibt es keine Medien ohne die sie bedingenden technischen und kulturellen Wissensformen. Medien implizieren immer schon das Wissen um ihre Konstruktion, ihre Verwendung, ihre Ökonomie etc. Massenmedien haben ein Wissen von ihrem Publikum, Server haben ein Wissen von Zugriffszahlen und verarbeiten dies. Sowohl Inhalte als auch Kommunikationsstrukturen, sowohl Wahrnehmungsordnungen als auch Verfahren und Programme setzen Wissen voraus und sind selbst Formen von Wissen. Die Frage »Was wissen Medien?« zielt deshalb ebenso auf die Auseinandersetzung mit der Mediengebundenheit allen Wissens wie auch auf die mit der Wissensgebundenheit der Medien.